Am Donnerstag dieser Woche läuft der Film „Embrace – Du bist schön“ in 150 deutschen Kinos. Er zeigt die Geschichte der Australierin Taryn Brumfitt. Die Geschichte einer Frau, die mich sehr bewegt hat… und mir in den letzten Tagen sehr viele Gedanken bereitet hat. Und ich hoffe sehr, dass diesen Film ganz viele Menschen sehen werden.

Denn Taryn’s Thema ist mir in der Fotografie auch kein Unbekanntes mehr: Schönheit (oder das, was viele darunter verstehen) und das Gefühl, gut zu sein, wie man ist.

Inspiriert durch einen Artikel über die Arbeit von Peter Lindbergh auf kurier.at, der vor wenigen Wochen erschienen ist, habe ich es gewagt, ein paar Gedanken dazu niederzuschreiben…

Ich bin nicht fotogen

Mich erreichen hin und wieder die diversesten Anfragen für die Bildbearbeitung…

„Kannst Du bitte mein Muttermal wegmachen?“
„Ich habe so einen schiefen Mund, wenn ich lache“
„Meine Beine sind zu dick“
„Meine Falten stören mich so, ich wirke so alt“
oder ganz klassisch „ich bin doch gar nicht fotogen“

Viele Menschen fühlen sich nicht wohl in ihrer Haut – sei es wegen ein paar Pfunden „zuviel“, Fältchen oder Narben. Sie fühlen sich „nicht in der Norm“ oder „nicht schön“. Die Motivation dahinter ist oft ein wenig Besorgnis erregend. Sie vergleichen sich mit Model X oder Schauspieler Y. Sie wollen straffe Haut. Einen muskulösen, athletischen Körper. Ein perfektes Gebiss…

Richtig. Es geht bei allen nur um Oberflächlichkeiten. Das perfekte Aussehen. Die „Fassade“. Und dabei rede ich jetzt nicht nur von Frauen – denn bei Männern ist das Thema ebenso präsent…

Was die meisten Menschen „Schönheit“ nennen,
kann man zu 90 Prozent mit einem feuchten Tuch entfernen.
(Coco Chanel)

Das Selbstwertgefühl

Unsere Medien – sei es im TV, der Werbung oder im Film – suggerieren uns tagtäglich was wir brauchen und wie wir sein sollen. Zumindest aus deren Sicht. Obwohl es mittlerweile auch einzelne Konzerne gibt, die umdenken (wie z.B. Dove). Doch die Begeisterung dafür hält sich noch in Grenzen – oder das „Talent“ dazu, wenn ich an die aktuelle Kampagne von Zara denke. Und dabei ist es ja längst kein Geheimnis mehr, dass Depressionen und Magersucht unter Teenies und jungen Leuten weit verbreitet sind. Dabei fehlt es den meisten in der Regel „nur“ an einem gesunden Selbstwertgefühl. In Zeiten von Heidi und ihren „Meeeedchen“ für viele sicher nicht ganz einfach, ein solches zu entwickeln.

Ich habe in den letzten Monaten viel nachgedacht und über mich gelernt. Vor allem in Bezug auf Körperbewusstsein und Einstellung zu meinem Leben. Es sollte jedem nochmal vor Augen führen, dass es gesünder ist, sich seiner „Ecken und Kanten“ bewusst zu machen und diese anzunehmen, anstatt sich selbst für diese „Unvollkommenheiten“ zu verfluchen. Oder sich bei Diäten oder in Fitnessstudios zu quälen. Das alles hat keinen Wert, solange es nicht mit Freude durchgeführt wird. Ich habe auch vieles probiert – Fitnessstudio, Fitness zu Hause, Ernährungsberatung, Laufen, … was hängen geblieben ist, sind Tischtennis, Spazieren gehen und Radfahren (allerdings ohne App oder Fitness-Watch). Und das alles in einem Maß, wo es mir noch Freude bereitet.

Ja, ich habe einige Kilos „zu viel“ auf den Rippen – das „zu viel“ mache ich jedoch nicht an Idealen fest, die mir irgend jemand vorschreiben möchte (den ich noch nicht mal kenne). Ich möchte meinem Körper einfach etwas Gutes tun. Bewegung tut mir gut. Weniger Zucker tut mir gut. Etwas weniger Fleisch tut mir auch gut. Das merke ich. Und nur deshalb lebe ich danach. Nicht, weil es jetzt salonfähig ist oder weil mein Nachbar oder Kollege mich dann besser leiden kann.

Jeder Fotograf sollte sich heute seiner Verantwortung bewusst sein:
Frauen und überhaupt alle Menschen vom Terror der ewigen Jugend und der Perfektion zu befreien.
Denn es gibt eine Schönheit, die Individualität ausstrahlt und den Mut, man selbst zu sein mit all seiner Empfindsamkeit.
(Peter Lindbergh)

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Makel und Retuschen

Um konkret auf eine meiner Sensual Nude-Fotosessions zurück zu kommen… da kam zuletzt während des Fotografierens das Gespräch auf die Schwangerschaftsstreifen der jungen Frau. Sie war erst etwas geniert. Wollte die Stellen verdecken. Oder dass ich diese in der Nachbearbeitung „rausmache“. Dabei habe ich ihr vorgeschlagen, dass sie es auch anders sehen können… Diese Streifen könnten ihr ja auch eine Erinnerung sein für das wohl wunderbarste Geschenk, dass sie erhalten hatte – nämlich ihre beiden Kinder…

Ich will jetzt nicht übertreiben – sie hatte keine Erleuchtung in dem Moment – doch die geänderte Wahrnehmung hat ihr sehr geholfen, sich bei der Fotosession wohler, entspannter zu fühlen.

Es ist ziemlich einfach zu erklären – zwischen dem Selbstbild und dem Wunschbild der Kunden, liegen teilweise Welten. Und aus dieser Sicht sind Tools wie zum Beispiel Photoshop Fluch und Segen zugleich. Denn ob ich es für aufwendige „Composings“ nutze oder dafür, sämtliche Spuren des Lebens eines Menschen zu entfernen, macht einen nicht unerheblichen Unterschied. Indem ich Falten entferne, oder Leberflecke, oder die Haut glätte – entferne ich sämtliche Individualität, sämtliche Natürlichkeit der Person.

Denn in Wirklichkeit „braucht“ kein Mensch Photoshop – zumindest nicht in der Portrait-Fotografie. Der Fluch, dass in Photoshop nahezu alles möglich geworden ist, bringt die Menschen dazu, dies zu nutzen – mit den entsprechenden Folgen… Denn das Ergebnis sind „Puppen“ genau wie die auf Werbeplakaten. „Puppen“ die nichts mehr mit der Realität zu tun haben. Die nichts Echtes mehr an der Person lassen. Und die Person wird dementsprechend auch nicht wirklich wiedererkannt werden. Im besten Fall erkennt man noch eine Ähnlichkeit.

Das mag den ein oder anderen vielleicht zurückschrecken lassen – aber was wäre denn, wenn man Dich auf Deinen Bildern nicht erkennt, weil so viel dran geändert wurde? Wenn sämtliche Echtheit fehlt…

Wanting to be someone else
is a waste of who you are
.

Jemand anders sein zu wollen
ist eine Verschwendung von dem, was Du bist)

Und was ist Schönheit denn jetzt? Wie könnte man das definieren?

Ja, es kann ein hübsches Gesicht oder eine tolle Figur sein – muss es aber nicht. Denn das impliziert ja wieder einen Standard, woran das „gemessen“ würde.
Was noch? Klar – eine starke Ausstrahlung.

Selbstbewusstsein.
Sich nicht verstellen, authentisch sein.
Jemand, der sich auch von seiner verletzlichen Seite zeigen kann.
Ein Mensch, der etwas mit Leidenschaft tut.
Ein spielendes Kind.
Ein herzliches und ehrliches Lächeln.
Jemand, der sich selbst Bestätigung gibt und diese nicht im „Außen“ sucht.
….

Du siehst – das alles hat nichts mit Model-Maßen oder „makelloser“ Figur zu tun. Und meine Liste ist ja bei weitem nicht vollständig… Mich interessiert: Was ist Deine Definition?
Seien wir unserem Körper einfach öfter mal dankbar für alles, was er tagtäglich für uns leistet… und gönnen wir ihm hin und wieder – ganz bewusst – etwas Gutes, damit er uns noch lange tragen kann und will.
Denn wie bei so vielen Dingen im Leben spielt auch hier alles nur im Kopf.

Man muss dem Körper Gutes tun,
damit die Seele Lust hat, darin zu wohnen.
(Winston Churchill)

Meine Intention in der Fotografie ist es, den echten Menschen zu zeigen. Echte Emotionen. Echte Nähe. Authentizität. Darum soll es bei mir gehen. Keine „Posen“. Ganz Du. Nicht mehr und nicht weniger. Deshalb wird es in Zukunft wohl auch immer mehr „echte“ Menschen hier zu sehen geben – und wesentlich weniger Models.

Ich hoffe, ich konnte Dich zu einer differenzierten Denkweise anregen und freue mich über Deine Meinung zu diesem Thema – gerne hier unten in den Kommentaren oder in einer Diskussion bei facebook.

Sei echt – nicht perfekt

Thomas

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„authentisch“ ist das neue „sexy“

Inspiration zu diesem Artikel fand ich unter anderem hier:

Alessia Cara, Scars To Your Beautiful (inkl. lyrics – Quelle: Youtube)

Ein Beitrag von meinem sehr geschätzten Kollegen und Lehrer Andreas Jorns

Der Film „Embrace – Du bist schön“, der am 11. Mai 2017 in den deutschen Kinos läuft

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